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Probe: „Geschwinde, ihr wirbelnden Winde“

Halbszenischer Göttergipfel

Hoch unterhaltsame Kunstmusik: Die Freitagsakademie führt Bachs Kantate über den Sängerstreit von Phoebus und Pan auf.

Von wegen „Dramma per Musica“. Was üblicherweise eine Opera seria meint, ist im Falle der Kantate Geschwinde, ihr wirbelnden Winde von Johann Sebastian Bach bestenfalls eine weitere Ironie. Denn ernst geht es in dieser „moralischen“ Kantate (BWV 201) nicht zu, die 1729 im Zimmermannschen Kaffeehaus zu Leipzig erstmals aufgeführt wurde. Zwar geht es um den Vorrang der „ernsten“ Musik. Die längst als fragwürdig entlarvte Unterscheidung zwischen dieser und der Unterhaltungsmusik geht nicht nur zurück auf Bach, sondern schon auf die Metamorphosen des Ovid. Der Streit zwischen dem missgestalteten Hirtengott Pan und dem hübschen Götterjüngling Phoebus (Apoll) kann als Prototyp gelten für alle späteren Sängerwettbewerbe, von der Wartburg bis San Remo. Bach übernimmt die Geschichte, und wie Wagner ist er sehr parteiisch. Seine Liebe gilt, klar, der „Kunstmusik“, dem edel-erhabenen Schaffen.

Hochmusikalische Ironie

Nun könnte man diese Kantate aufführen wie andere auch. Die Freitagsakademie und das Gesangsensemble BERNVOCAL (einstudiert von Fritz Krämer) gehen einen Schritt weiter, Thomas Höft als geschliffener Conférencier erzählt: MC Pan, so heisst er hier, trifft auf den Solarenergiegiganten (!) Phoebus. Fake-Feuilleton-Zitate, Disco-Einlagen und schrille Kostüme räumen letzte Zweifel aus: Ernst ist hier gar nichts, Ironie alles, bis hin zum Umstand, dass der Klamauk hochmusikalisch daherkommt.

Die Freitagsakademie, gerade geadelt durch den Diapason d’Or des Jahres der gleichnamigen französischen Fachzeitschrift, musiziert präzis und mit grosser Spielfreude. Die solistischen Einlagen (etwa Katharina Suskes Oboenbegleitung der Tmolus-Arie) sind ein Ohrenschmaus, ebenso die Vokalsolisten. Der glockenhelle Sopran von Ulrike Hofbauer (Momus) kontrastiert schön mit den Bässen von Christian Hilz (Phoebus) und Dominik Wörner (Pan). Markante Akzente setzen der Altus von Terry Wey (Mercurius) und der Tenor von Raphael Höhn (Tmolus). Am meisten überrascht der andere Tenor, der Einspringer Markus Schäfer. Er übertreibt szenisch ein wenig, zeichnet aber vokal eine Figur, die als Vorbild für Beckmesser gedient haben könnte.

Eines ist klar: Der alte Bach war alles andere als ein Kind von Traurigkeit. Treffender kann man seiner Sache – die erhabene Musik steht über der billigen Unterhaltung – nicht zum Durchbruch verhelfen. Dass diese Beweisführung selber allerbeste Unterhaltung ist, ist ein köstlicher Nebeneffekt. Wie soll man bei Sätzen wie „Aufgeblas’ne Hitze, aber wenig Grütze: Kriegt die Schellenmütze, endlich aufgesetzt“ auch ernst bleiben?

Organisch übereinstimmend

Eher dem „klassischen“ Bach verpflichtet war der Auftakt des Konzerts: Die vierte Orchester-Suite in D-Dur (BWV 1069) gab der Freitagsakademie und ihrem Dirigenten Václav Luks Gelegenheit zum Aufwärmen in der kühlen Französischen Kirche. Die Finessen von Bourrée, Gavotte und Menuett wurden schön herausgearbeitet, der Maestro am Cembalo dirigierte mal leicht aus dem Handgelenk, mal mit ganzem Körpereinsatz. Aber immer in organischer Übereinstimmung mit seinem Orchester.

02.12.2017, Peter König, © Der BUND

(Wir danken dem BUND für die freundliche Genehmigung, diesen Artikel hier abzudrucken.)